Liste der potenziellen Kommissionsmitglieder steht
Bis zum 30. August sollten die EU-Mitgliedstaaten ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die kommende Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen nach Brüssel melden. Geschlechterparität wird die Kommissionspräsidentin wohl nicht erreichen. Und auch das EU-Parlament muss der Auswahl noch zustimmen. Lesen Sie hier, welches Land wen ins Rennen schickt.
Nicht ganz der gesetzten Frist entsprechend und auch nicht zwei pro Land, um die Kommission ausgeglichen mit Männern und Frauen zu besetzen, liegen Ursula von der Leyen („vdL“) nun die Vorschläge für die Postenbesetzung der künftigen EU-Kommission von den EU-Mitgliedstaaten vor. Bis Mitte September will die Kommissionspräsidentin Gespräche führen und Aufgabenzuschnitte verteilen. Es wird auch neue Aufgabenbereiche geben, so etwa Beauftragte für die Mittelmeerregion, Verteidigung und Wohnungswesen (Politische Leitlinien 2024-2029).
27 Personen umfasst die EU-Kommission, wobei Deutschland und Estland mit der EU-Kommissionpräsidentin beziehungsweise der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas bereits fest verplant sind. Acht der weiteren 25 vorgeschlagenen Personen sind weiblich, was einer geschlechterparitätisch gänzlich ausgewogenen Besetzung entgegensteht. Und nur Bulgarien entsprach der Bitte von der Leyens, zwei Personen zu nominieren.
Eine Liste der Nominierten hat Politico veröffentlicht. Das Medium berichtete auch, dass das EU-Parlament auf einer vollständigen Beschreibung der Aufgabenbereiche der 27 Posten besteht, bevor es zum sogenannten "Grilling", also der Anhörung vor den Ausschüssen und zur Plenarabstimmung im EU-Parlament, kommt.
Wer nominiert wen?
- Belgien:Hadja Lahbib
Derzeit belgische Außenministerin; Parteienzugehörigkeit: liberal (Mouvement Réformateur). Lahbib auf Wikipedia - Bulgarien: Ekaterina Zaharieva und Julian Popov
Zaharieva, derzeit Parlamentsmitglied (ehemalige Außenministerin, u.a.), wurde von der konservativen GERB nominiert, Popov (ehemaliger bulgarischer Umweltminister) von den Liberalen (PP); im Moment regiert in Bulgarien eine Übergangsregierung. Euractiv über Zaharieva und Popov - Dänemark: Dan Jørgensen
Sozialdemokrat, derzeit amtierender dänischer Minister für Entwicklungszusammenarbeit und Globale Klimapolitik. Jørgensen auf Wikipedia - Deutschland: Ursula von der Leyen, bereits im Amt bestätigte EU-Kommissionspräsidentin [EU-News 19.07.2024]; Parteizugehörigkeit: Christdemokratin/Europäische Volkspartei.
- Estland: Kaja Kallas
Bis zu ihrer Nominierung estnische Regierungschefin; Parteizugehörigkeit: Liberale (Eesti Reformierakond)
Der Europäische Rat hat sie im Juni als Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik nominiert (EU-News 28.06.2024).
Wikipedia zu Kallas - Finnland: Henna Virkkunen
Mitglied des EU-Parlaments in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), Industrieausschuss, ehemalige Bildungsministerin; EU-Parlament zu Virkkunen. - Frankreich: Thierry Breton
In der EU-Kommission 2019-2024 zuständiger Kommissar für den Binnenmarkt, Dienstleistungen, Raumfahrt, Verteidigung. EU-Kommission zu Breton; potenziell zuständig als Exekutiver Vizepräsident für Industrie und strategische Autonomie [Wikipedia vdL-Kom II] - Griechenland: Apostolos Tzitzikostas
Gouverneur der Region Zentralmakedonien, seit 2020 Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR), Politiker der liberal-konservativen Nea Dimokratia; Wikipedia zu Tzitzikostas - Irland: Michael McGrath
Derzeitiger irischer Finanzminister; der Wirtschaftswissenschaftler gehört der liberal-konservativen Partei Fianna Fáil an und hat umfangreiche Erfahrungen im irischen Unterhaus. Wikipedia zu McGrath - Italien: Raffaele Fitto
Derzeit Minister ohne Geschäftsbereich für Europäische Angelegenheiten, zwischen 2014 und 2022 Mitglied im EU-Parlament. Parteienzugehörigkeit: Fratelli d’Italia, geht für die nationalkonservative Fraktion EKR ins Rennen, deren Vorsitzender er 2019-2022 war.
Wikipedia zu Fitto; potenziell als Exekutiver Vizepräsident zuständig für Wirtschaft und Corona-Wiederaufbauhilfen [Wikipedia vdL-Kom II] - Kroatien: Dubravka Šuica
Parteienzugehörigkeit: Konservative (Hrvatska demokratska zajednica, HDZ). Die ehemalige Bürgermeisterin von Dubrovnik ist bereits seit 2019 Vizepräsidentin der EU-Kommission und als Kommissarin zuständig für Demokratie und Demografie. EU-Kommission über Šuica - Lettland: Valdis Dombrovskis
Ehemaliges Mitglied des EU-Parlaments, ehemaliger EU-Kommissar (Juncker, 2014-2019) für den Euro und Sozialen Dialog; Parteienzugehörigkeit: liberal-konservative Partei Vienotība (Fraktion EVP). Wikipedia zu Dombrovskis; potenziell als Exekutiver Vizepräsident zuständig für Erweiterung der Europäischen Union und Wiederaufbau der Ukraine [Wikipedia vdL-Kom II] - Litauen: Andrius Kubilius
Ehemaliger Premierminister (2x), seit 2019 Mitglied des EU-Parlaments, Fraktion der EVP. Wikipedia zu Kubilius - Luxemburg: Christophe Hansen
Geowissenschaftler, ehemaliger Umweltattaché, Mitglied in der luxemburgischen Abgeordnetenkammer, Mitglied im EU-Parlament, Fraktion der EVP (Partei: CSV). Wikipedia zu Hansen. - Malta: Glenn Micallef
Ökonom, 34, von 2020 bis 2024 Sekretariatsleiter des maltesischen Premierministers Robert Abela; leitete im Außenministerium die EU-Koordinierungsabteilung; Sozialdemokrat. Politico über Micallef - Niederlande: Wopke Hoekstra
Christdemokrat (EVP), Jurist, ehemaliger Finanz- sowie Außenminister, seit Herbst 2023 in der ersten vdL-Kommission Klimakommissar (Nachfolge für Frans Timmermans). Umweltverbände waren skeptisch, da Hoekstra unter anderem für den Mineralölkonzern Shell tätig gewesen war (EU-News 08.09.2023, 05.10.2023 und DNR-Interview "Hoekstra tritt in große Fußstapfen"). Wikipedia zu Hoekstra - Österreich: Magnus Brunner
Amtierender Finanzminister, Dr. jur., gehört der bürgerlich-konservativen ÖVP (Fraktion EVP) an. Brunner war mehr als zehn Jahre Mitglied im österreichischen Bundesrat und vor seinem Amtsantritt als Finanzminister Staatssekretär im dortigen Umweltministerium. Wikipedia zu Brunner - Polen: Piotr Serafin
Rechtswissenschaftler, Verwaltungsbeamter mit viel Europaerfahrung, ehem. Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, parteilos. Wikipedia zu Serafin - Portugal: Maria Luís Albuquerque
Wirtschaftswissenschaftlerin, ehemalige Finanzministerin, parteilos.
Wikipedia zu Albuquerque - Rumänien: Roxana Mînzatu
Ehemalige Staatssekretärin und Koordinatorin der Abteilung für die Bewertung und das integrierte Monitoring der aus öffentlichen und europäischen Mitteln finanzierten Programme, Mitglied im EU-Parlament. Parteienzugehörigkeit: Partidul Social Democrat (S&D). Wikipedia zu Mînzatu - Schweden: Jessika Roswall
Politikerin, derzeit Ministerin für EU-Angelegenheiten und Ministerin für Nordische Zusammenarbeit. Parteienzugehörigkeit: bürgerlich-konservative Moderata samlingspartiet (Fraktion EVP). Wikipedia zu Roswall - Slowakei: Maroš Šefčovič
Von 2023-2024 EU-Vizekommissar, zuständig für den europäischen Green Deal, interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau. Parteilos, nominiert von S&D. EU-Kommission zu Šefčovič - Slowenien: Tomaž Vesel
Früherer Präsident des slowenischen Rechnungshofs, Experte für öffentliches Auftragswesen und Haushaltsverwaltung. Parteilos. Politico zu Vesel, Wikipedia zu Vesel - Spanien: Teresa Ribera
Die Rechtswissenschaftlerin ist amtierende Ministerin für ökologischen Wandel und Demografie in Spanien. Sozialdemokratin. Wikipedia zu Ribera - Tschechien: Jozef Síkela
Derzeitiger tschechischer Minister für Industrie und Handel, Mitglied der liberal-konservativen Bewegung Starostové a nezávislí STAN (Fraktion EVP); Wikipedia zu Síkela; potenziell zuständig für Energie (?) [Wikipedia vdL-Kom II] - Ungarn: Olivér Várhelyi
Rechtswissenschaftler, langjährige EU-Erfahrungen, parteilos. Von 2019-2024 EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik. Wikipedia zu Várhelyi; EU-Kommission zu Várhelyi - Zypern: Costas Kadis
Dekan der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Frederick-Universität in Zypern, ehemaliger (u.a.) Landwirtschafts- und Umweltminister; parteilos.
Kadis auf Wikipedia/EN
Die nächsten Schritte: nach der Nominierung kommt das „Grilling“
Mit vier bereits amtierenden Kommissionsmitgliedern aus der vdL-Kommission I, einem ehemaligen EU-Kommissar und vielen europaerfahrenen Politiker*innen hat die EU-Kommissionspräsidentin voraussichtlich ein interessantes Team am Start. Bis Mitte September will von der Leyen Gespräche führen und Aufgabenbereiche zuteilen. Wer welche Generaldirektion leitet und für welchen Posten eingeteilt wird, entscheidet aber nicht nur die EU-Kommissionspräsidentin. Auch das EU-Parlament hat das Recht, bei der Besetzung der EU-Kommission – immerhin die einzige EU-Institution, die Gesetzesvorschläge machen kann – mitzubestimmen. So wurden beispielsweise 2019 zwei Nominierte sogar schon vor den Anhörungen („Grilling“) vor den thematisch passenden Parlamentsausschüssen abgelehnt; Begründung: Interessenskonflikte mit der Rechtsstaatlichkeit und Ungereimtheiten bei Vermögensangaben (EU-News 26.09.2019). Auch während der Anhörungen können Kandidatinnen und Kandidaten abgelehnt werden – wie die Französin Sylvie Goulard als Kommissarin für den Binnenmarkt – oder erst bei der zweiten Anhörung bestehen – wie der Pole Janusz Wojciechowski als Landwirtschaftskommissar (EU-News 10.10.2019). Am Ende muss das EU-Parlament der gesamten EU-Kommission als Team zustimmen, bevor sie – offiziell am 1. November 2024 – ihre Amtszeit starten kann.
Die Anhörungen vor den EU-Parlamentsausschüssen und die finale Abstimmung im Plenum sind in den kommenden Wochen geplant. Derweil arbeitet die Zivilgesellschaft schon an Musterbriefen und Forderungen für die sogenannten Mission Letters, die die Jobbeschreibung der zukünftigen Kommissionsmitglieder enthalten. Client Earth formulierte schon mal eine Beschreibung für das nicht existierende Kommissionsdirektorat für "Menschen und Umwelt". Meeresorganisationen schickten eine Wunschliste für den künftigen Posten für Ozeanschutz und CAN Europe entwickelte einen Energy Compass for the Policy Cycle 2024-2029. [jg]
Politico: The full lineup for the new EU Commission
dpa-Europaticker: Von der Leyen droht männerdominierte EU-Kommission